Bericht von Nicolas Michael
Kurzbeschreibung: Ruderfahrt in Polen auf der Weichsel von Krakau nach Warschau durch ländliches, kaum besiedeltes Gebiet. Flußlauf mit Wiesen, Bäumen, Hügeln, Inseln, Sandbänken, Sandstränden und Kalkfelsen. Gesamtstrecke: 448 Km.
Streckenübersicht (10 Etappen, 448 Km) | |||
Fr/Sa, 08./09.06. | Bootstransport nach Krakau | ||
So, 10.06. | Anreise nach Krakau mit der Bahn | ||
Mo, 11.06. | Ruhetag in Krakau | ||
Di, 12.06. | 1. Krakau (Km 67,5) - Hebdow (Km 123,5) | 56 Km | 2 Schl |
Mi, 13.06. | 2. Hebdow (Km 123,5) - Leka (Km 173,8) | 50,5 Km | |
Do, 14.06. | 3. Leka (Km 173,8) - Km 218 | 44 Km | |
Fr, 15.06. | 4. Km 218 - Zalesie Gorzyckie (Km 272) | 54 Km | |
Sa, 16.06. | 5. Zalesie Gorzyckie (Km 272) - Slupia Nadbrzena (Km 306) | 34 Km | |
So, 17.06. | 6. Slupia Nadbrzena (Km 306) - Km 355 | 49 Km | |
Mo, 18.06. | 7. Km 355 - Staszow (Km 405) | 50 Km | |
Di, 19.06. | 8. Staszow (Km 405) - Mniszew (Km 454) | 49 Km | |
Mi, 20.06. | 9. Mniszew (Km 454) - Kopa Obrowska (Km 495,5) | 41,5 Km | |
Do, 21.06. | 10. Kopa Obrowska (Km 495,5) - Warschau (Km 511) + Altstadt | 20 Km | |
Fr, 22.06. | Ruhetag in Warschau | ||
Sa, 23.06. | Rückreise nach Berlin mit der Bahn | ||
Mo/Di, 25./26.06. | Bootstransport zurück nach Berlin |
Die Weichsel entspringt auf dem 1214 Meter hohen Barania Góra (Widderberg) in den West-Beskiden
und mündet nach 1047 Km in der Danziger Bucht in die Ostsee. Sie ist Polens längster Fluß und für Ruderer
auf einer Länge von fast 950 Kilometern (ab Auschwitz) befahrbar. In ihrem weitgehend natürlichen Flußbett
durchfließt sie das Land in nördlicher Richtung. Staustufen gibt es kaum -- abgesehen von fünf Staustufen im
ruderbaren Oberlauf des Flussen gibt es bis zur Mündung nur noch eine einzige Schleuse. Die Strömung in den
nicht regulierten Abschnitten ist meist mäßig. Entlang der Weichsel liegen unter anderem die Städte Krakau, Warschau
und Danzig. Die meiste Zeit jedoch fließt sie durch wenig besiedeltes Gebiet und bietet ideale Voraussetzungen
für eine Ruderfahrt in der Natur. Zwischen Krakau und Warschau durchfließt sie eine Landschaft aus Wiesen,
Feldern, Bäumen, Hügeln und Kalkfelsen. Anfangs recht schmal in einen tiefen Flußbett fließend wird sie bald
breiter, teilweise sogar fast seenartig, mit vielen Inseln und unzähligen Sandbänken im Fluß. Am Ufer findet
man viele Sandstrände, die zum Anlegen, Zelten und Baden einladen. Die Wasserqualität ist unterschiedlich, zum
Baden jedoch ausreichend. Da es entlang des Flusses über lange Strecken meist nur kleine Dörfer gibt, kommen
zur Übernachtung nur Zelte in Frage. Offizielle Zeltplätze gibt es kaum, aber Möglichkeiten zum Wildzelten
gibt es überall entlang des Ufers. Laut Jübermann ist das Wildcampen zwar offiziell verboten, kümmert aber
keinen. Probleme gab es bei uns nie. Einkaufsmöglichkeiten gibt es ebenfalls genügend, und frisches Trinkwasser
erhält man auf den Dörfern problemlos von den Bauern. Die polnische Bevölkerung ist sehr offen und hilfsbereit,
vor allem wenn man sich mit ein paar Wörtern Polnisch bemüht. Die Verständigung mit Englisch oder Deutsch ist
auf dem Land dagegen meist schwierig. Boote und Zelte kann man abseits der Städte bedenkenlos unbeaufsichtigt
lassen. Wenn man zum Einkaufen in Kleinstädten oder größeren Dörfern anlegt, kann man oft Fährmänner,
Angler oder sonstige Leute bitten, ein Auge auf die Boote zu haben. Uns ist auf der gesamten Fahrt nichts
abhanden gekommen. Berufsschiffahrt gibt es zwischen Krakau und Warschau
nicht, auch Sportmotorboote trifft man so gut wie keine. Der Wasserstand der Weichsel kann vor allem im Sommer
sehr gering sein. Als Ruderer kann man die vielen Flachstellen, Sandbänke und teilweise Steine im Wasser mit
großer Aufmerksamkeit meist gut umschiffen. Die Fahrrinnenkennzeichnung hilft dabei jedoch nur bedingt. Robustes
Bootsmaterial ist daher von Vorteil.
Die Idee,
die Weichsel zu befahren, hatten wir bereits vor zwei Jahren: Ursprünglich wollten wir schon im Sommer 2005
auf diesem Fluß rudern. Leider klappte es damals aber nicht, alle Interessenten terminlich unter einen Hut zu
bekommen, so daß die Fahrt damals nicht zustande kam. Auch 2006 wurde nichts draus -- statt dessen fuhren wir
auf die Oder. In diesem Jahr aber konnten wir die Idee verwirklichen:
Eine Ruderfahrt durch unser Nachbarland Polen, abseits der Zivilisation durch eine überwiegend ländliche
und naturbelassene Gegend. Bei der Vorbereitung der Fahrt stellte ich fest, daß es kaum andere Wasserwanderer
gibt, die schonmal auf der Weichsel unterwegs waren. Ruderer konnte ich überhaupt keine ausmachen. Im Internet
findet man zwar Hinweise, daß einige Ruderclubs eine solche Fahrt schonmal angedacht hatten, aber einen Verein,
der tatsächlich schonmal auf der Weichsel gerudert war, konnte ich nicht finden. Glücklicherweise gibt es von
Jübermann einen Flußführer für die Weichsel, der zwar nicht mehr ganz aktuell ist, aber den Fluß auf seiner
gesamten Länge ausführlich beschreibt. Zusammen mit ein paar detaillierten Straßenkarten reichte dieser aus,
um die Fahrt zu "planen". Viel gab es ohnehin nicht zu planen, denn da es entlang der Strecke quasi
keine festen Unterküfte gibt, war Zelten angesagt und die Etappen somit nicht planbar, sondern spontan. Nur
Bootstransport, An- und Abreise sowie die Unterkünfte in Krakau und Warschau mußten organisiert werden -- bei
letzteren half mir glücklicherweise ein polnischer Kollege. Als Teilnehmer für die Fahrt fanden sich
Otto, Darius, Steffen
und ich. Wie sich im letzten Jahr auf der Oder
gezeigt hatte, war vier eine gute Zahl für eine solche Fahrt, da so ein zu viert gefahrener Doppelvierer mit
Steuermann (drei Ruderer, ein Steuermann) durch den leeren Bugplatz mehr Stauraum für Gepäck läßt als mit
fünf Personen im Boot.
Bevor die Fahrt richtig beginnen konnte, mußte das Boot nach Krakau transportiert werden. Ich traf mich
daher am Freitag vor der Fahrt morgens mit Otto bei Allround in Charlottenburg, um den Mietwagen abzuholen. Um die
Originalpapiere zu erhalten, mußten wir zunächst in der Filiale am Ullsteinhaus vorbeifahren, danach ging es
zum Club, wo das am Tag zuvor aufgeladene Boot, der B-Klinker-Doppelvierer m. St. Spree, bereits wartete.
Gegen zehn Uhr waren wir dann mit dem Sprinter und dem Anhänger auf der Autobahn. Es war ein heißer Sommertag,
und wir schwitzten nicht schlecht. Glücklicherweise waren die Straßen ziemlich leer, vor allem in Polen,
so daß wir überall (trotz einiger Baustellen) gut durchkamen. Die Zeit vertrieben wir uns mit Ottos Hörspielen
Freakonomics und den Drei ???. Die Fahrtbahn hinter der Grenze war in unserer Fahrtrichtung für
50 Kilometer grauenhaft schlecht, so daß wir schon sehr um unser Boot fürchteten, das aber glücklicherweise
keine Schäden von dem Transport davongetragen hat. Während der Fahrt riefen wir Steffen an und baten ihn,
im Club für uns alle die schicken BRC-Rudermützen mit Stern zu kaufen -- eine (wie sich später zeigte) geniale
Idee von Otto. Gegen 18 Uhr kamen wir dann nach einem kurzen Stau bei Krakau im Krakowski Klub Kajakowy (KKK)
an. Außer dem Pförtner, der uns nicht verstand, war niemand da. Ein junger Mann vom Bierzelt nebenan, der gut
Englisch sprach, half uns. Schnell hatten wir mit der Cheffin des Klubs, die ebenfalls gut Englisch sprach,
telefoniert und alles geklärt. Das Boot legten wir auf die Videokamera-überwachte Wiese neben das Bootshaus,
Skulls und andere Kleinteile konnten wir in den Hallen wegschließen. Unterm Dach gab es Schlafräume, von denen
der Pförtner uns einen zuwies. Das Kanuzentrum war erst vor wenigen Jahren errichtet worden und sehr
modern. Nachdem wir versorgt waren, überlegten wir, wie wir wohl am besten in die Stadt kämen -- das Kanuzentrum
liegt nämlich einige Kilometer außerhalb. Während wir noch überlegten, wurden wir von einem Mann auf Deutsch
angesprochen: Stefan, ein Aussiedler aus Berlin. Er freute sich, mal wieder deutsch sprechen zu können, und
nahm uns in seinem Auto mit in die Stadt. Krakau feierte in diesen Tagen gerade 750 Jahre Stadtrechte und hatte
eine große Bühne am Hauptmarkt aufgebaut. Gestern hatte hier wohl Ennio Morricone dirigiert. Heute wurde
Walzer gespielt, und die Leute tanzten vor der Bühne. Wir liefen ein wenig durch die Altstadt, aßen und tranken
etwas und fuhren dann mit Stefan wieder zurück zum Klub. Am nächsten Tag standen wir früh auf, setzten uns in
den Sprinter und fuhren mit dem leeren Anhänger wieder zurück nach Berlin, da wir am Abend den Mietwagen
abgeben mußten. Die ersten 16 Stunden Bootstransport -- 8 Stunden pro Richtung -- waren am Abend überstanden.
Richtig los ging's dann am nächsten Tag: Wir fuhren alle zusammen mit der Bahn nach Krakau. Vor der
Abfahrt hatte Darius noch schnell einen Polnisch-Sprachführer im Hauptbahnhof gekauft, den wir während der
Fahrt fleißig nutzten, um dzien dobry, do widzenia, dziekuje, prosze und einige
weitere Wörter zu lernen. Steffen hatte für jeden ein kühles Bier mitgebracht, das jedoch am Sonntag vormittag
noch niemand von uns trinken wollte. Ansonsten haben wir im Zug gelesen, geschlafen und uns mit einer
californischen Russin unterhalten. Der Zug kam nach zehn Stunden Fahrt etwas verspätet in Krakau an. Die
Cheffin vom Kanu-Klub hatte angeboten, uns mit dem Auto abzuholen, und wartete bereits. So konnten wir bequem
mit unserem Gepäck mit ihr zum Kanuzentrum fahren, dort alles abladen, und uns anschließend von ihr wieder
zurück in die Stadt bringen lassen. Dort setzten wir uns in ein Restaurant am Hauptmarkt und aßen ein Sandwich
-- für richtige warme Küche war es bereits zu spät. Mit dem letzten Bus fuhren wir dann zum Kanuzentrum zurück
und entdeckten die Station zum Aussteigen gerade noch rechtzeitig.
Am nächsten Morgen standen wir um 7:30 Uhr auf, um Krakau zu besichtigen. Nach dem Frühstück im
Kanuzentrum liefen wir zur Bushaltestelle. Da der nächste Bus erst in über 30 Minuten kommen sollte, versuchten
wir es per Anhalter und hatten schnell Glück. Der nette Mann fuhr uns bis zum Rondo Grunwaldzkie und freute
sich über unsere ersten Versuche, etwas Polnisch zu sprechen. Vom Platz liefen wir auf der Brücke über die
Weichsel und weiter hinauf zum Wawel, dem Königshügel. Hier besichtigten wir die Kathedrale, stiegen auf den
Turm zur Sigismund-Glocke und genossen den herrlichen Blick über die Stadt. Anschließend liefen wir am Schloß
vorbei auf dem Königsweg zum Hauptmarkt. Hier trennten wir uns von
Otto, der für sein bevorstehendes Praktikum noch einige Prüfungen im Internet absolvieren mußte. Während unseres
weiteren Wegs zum Florianstor erwischte uns, wie auch einige Male später noch, ein kurzer Schauer. Auf einem
großen Mark nördliche der Altstadt kauften wir Kuchen und Wurst. Nach einem Blick vom Rathausturm, der durch
die Glasscheiben eher
enttäuschend war, gingen wir bei inzwischen meist sonnigem Wetter in den Stadtteil Kazimierz, vorbei an vielen
Kirchen und Synagogen. Dieser Teil gefiel uns wegen seiner alten Bausubstanz sehr gut, vor allem auch, weil hier
nicht ganz so viele Touristen herumliefen. Besonders schön war der Platz Szeroka am alten jüdischen
Friedhof. Da wir die ganze Zeit unsere Club-Mützen trugen, waren wir bald in der ganzen Stadt als die vier Typen
mit den komischen Mützen bekannt, und wurden einmal sogar gefragt, wo denn unser vierte Mann (Otto) sein
würde... Gegen Abend trafen wir uns dann alle vor einem kleinen Einkaufsladen in Kazimierz, um unseren Proviant
für die nächsten Tage zu vervollständigen. Anschließend setzten wir uns in den Biergarten eines netten
Restaurants in Kazimierz, wo wir sehr lecker aßen, auch wenn der Bedienung einige unserer Sonderwünsche etwas
zu schwierig waren. Der letzte Bus brachte uns um kurz vor elf wieder zurück zum Kanuzentrum.
Die letzte Nacht in Betten auf dieser Fahrt endete um 07:30 Uhr bei strahlendem Sonnenschein. Nach dem Frühstück
riggerten wir das Boot auf, füllten unsere Wasserreserven, bestehend aus über 10 Flaschen und einem
20-Liter-Kanister, und beluden das Boot. Um zwanzig nach zehn waren wir dann auf dem Wasser, bereit für die
erste Etappe. Obwohl schon
im Krakauer Stadtgebiet, ist das Ufer noch für mehrere Kilometer unbebaut. Erst direkt in der Innenstadt, wenn
man den Wawel passiert, hat man einen schönen Blick auf Krakau -- sonst sieht man von der Stadt nicht viel vom
Wasser aus. Am Ende von Krakau erreicht man dann die Staustufe Krakow-Dabie. Nachdem wir dem Schleusenwärter
mit Handzeichen aus dem Boot heraus zu verstehen gegeben hatten, daß wir gerne geschleust werden würden, war
dies kein Problem. Eine Schleusengebühr, die laut Jübermann erforderlich ist, mußten wir nicht bezahlen.
Hinter der Schleuse geht es ohne Strömung weiter, denn es folgt zwölf Kilometer weiter flußab eine weitere
Staustufe. Beim
Erreichen der Schleuse Krakow-Przewoz war kein Schleusenwärter zu sehen, so daß wir ausstiegen und gucken gingen.
Ein Angler gab uns zu verstehen, daß Schleusen nicht möglich sei. Ein Blick in die Schleusenkammer offenbarte
einen gähnende Leere -- die Schleuse schien außer Betrieb zu sein. Also begannen wir, uns nach einer Umtragemöglichkeit
umzusehen. Ein Herausnehmen des Bootes wäre kein Problem, aber ein Einsetzen hinter der Schleuse schien wegen
der steilen Böschung unmöglich und wurde zusätzlich durch einen hohen Zaun verhindert (und wir waren
durch Frankreich einiges gewöhnt und nicht gerade zimperlich, was
Umtragen betraf). Während wir noch überlegten
und uns auf ein Umtragen am Wehr einstellten, erschien ein weiterer Mann. Zunächst verstanden wir nicht recht,
was er wollte, aber plötzlich wurde klar: Er wollte uns schleusen! Er deutete uns an, wir sollten das Boot gut
festhalten -- und tatsächlich entstand kurz darauf ein kräftiger Sog vor der Schleuse, als sich die Schleusenkammer
mit Wasser zu füllen begann. Nach dem Einfahren bestand der Schleusenwärter darauf, daß wir das Boot zusätzlich
mit einem Seil an den Pollern festhielten. Kein Problem -- wir hatten ein langes Seil mit. Während des
Schleusenvorgangs ging es tief in die Kammer hinab. Schließlich öffnete sich das Tor und der Sog wurde stärker.
Der Schleusenwärter winkte uns zu hinauszufahren, während sich die Schleusentore noch öffneten. Allerdings
waren wir darauf nicht vorbereitet und verstanden auch die Eile nicht ganz. Als wir dann von der Wand
abgestoßen hatten, sahen wir es mit Schrecken: Eine Stromschnelle am Ende der Schleuse, verursacht durch eine
Flachstelle. Hinter der Schleuse war quasi kein Wasser im Flußbett. Jetzt verstanden wir auch, was der
Schleusenwärter gewollt hatte: Wir sollten mit dem Schwall Wasser aus der Schleusenkammer über diese Flachstelle
hinwegrudern! Für Kanuten wäre das sicher kein Problem gewesen, mit einem geklinkerten Holzruderboot aber nicht
ganz ohne. Egal, inzwischen hatte der Sog nachgelassen, es gab keine Stromschnelle mehr, nur noch flaches
Wasser. Beim vorsichtigen Herausrudern aus der Schleuse setzten wir am Ende der Schleusenkammer auf und mußten
kurz aussteigen, was dem Schleusenwärter gar nicht gefiel. Es war auch nur ein Schritt möglich, denn dann
wurde es wieder tief -- dort, wo sich die Schleusentore bewegten. Wenige Meter später kam aber eine erneute
Schwelle. Glücklicherweise waren beide Schwellen ebene Betonschwellen der Schleusenkonstruktion, so daß wir
nur mit dem Kiel aufsetzten. Am Ende der Schwelle mußten wir wieder einsteigen, da die kurze Kante zu Ende
war, und endlich waren wir wieder im ruderbaren Wasser. Steffen, der steuerte, stellte aber gleich fest, daß
das Steuer nicht mehr funktionierte: Die Betonschwelle hatte das untere Ende der Steuerstange herausgerissen,
als wir mit dem Steuer auf der Schwelle aufsetzten. Leider wäre ein Herausnehmen des Steuers wegen der kurzen
Schwellen nur schwer möglich gewesen. Naja, der Schleusenwärter winkte uns zum Abschied. Wir legter erstmal im
Schleusenkanal am Rand an der Böschung an und begutachteten unser Steuer: Die beiden Schrauben, die die
Steuerstange am unteren Ende halten sollten, waren noch da, aber sie waren aus dem Holz herausgerissen. Da wir
keine größeren Schrauben hatten, blieb uns nur, diese Schrauben wieder in das Holz hineinzudrücken, was
erstaunlicherweise der Stange recht viel Halt bot. Zusätzlich sicherten wir die Stange mit etwas Duck Tape.
Nach der "Reparatur" nutzten wir die schmale Anlegestelle gleich zur Mittagspause. Danach ging es
weiter, jetzt mit ordentlicher Strömung: Zwar nicht so viel wie z.B. auf der Elbe, aber 3 km/h dürften es schon
gewesen sein. Die Weichsel ist hier noch relativ schmal und fließt, wie auch auf der nächsten Etappe, in einem
tiefen Flußbett mit hoher Böschung, so daß man leider von dem dahinter liegenden Land nicht viel sieht.
Da der Wasserstand ab hier für die folgenden 600 Flußkilometer nicht mehr durch Staustufen
reguliert wird, gibt es immer wieder Flachstellen und Sandbänke. Die erste wirklich knifflige
lange und steinige Stromschnelle kam bei Kilometer 119. Wir hielten uns wie von Jübermann empfohlen ganz links
und kamen dank Darius Steuerkünsten und vermutlich etwas Glück heil hindurch, ohne auf den spitzen Steinen aufzusetzen. Als es langsam Abend wurde, hielten wir
nach einer geeigneten Anlegestelle mit Zeltmöglichkeit ausschau. Bei Kilometer 123,5 entdeckten wir auf der
linken Flußseite eine schöne Sandbank mit einem kleinen Weideweg, der die hohe Böschung hinaufführte -- eine
ideale Stelle! Das Boot hoben wir auf die Sandbank, die Zelte bauten wir oben auf der Böschung im Gras auf.
Vom Ufer hat man einen herrlichen Blick über das Land. Auf Höhe der Anlegestelle befindet sich in etwa 500
Metern Entfernung eine große weiße Kirche, die zu dem nahe gelegenen Dorf Hebdow gehört. Wunderbar erfrischend
war das Baden in der Weichsel. Wenn man jedoch versucht, flußauf zu schwimmen, merkt man, wie stark die
Strömung ist. Also liefen wir lieber den Fluß ein paar Meter hoch und ließen uns von der Strömung stromab
treiben. Mit biologisch abbaubarer Seife wuschen wir uns nach dem Baden im Fluß und zogen uns wieder an, um
ins Dorf zu laufen. Hebdow stellte sich wirklich als ganz kleines Dorf heraus, das quasi nur aus ein paar
Häusern entlang der einzigen Straße bestand. Die Kirche war dafür jedoch erstaunlich groß. Während wir so durch
das Dorf liefen, bekamen Steffen und Otto schon Panik, daß wir auf der Fahrt verhungern würden, da es nirgendwo
etwas zu kaufen gab. Allerdings hatte auch niemand behauptet, daß es hier etwas geben sollte. Jede Angst war
umsonst, denn es gab noch genügend andere Dörfer, die etwas größer als Hebdow waren. Dennoch konnten wir
Steffen und Otto an diesem Abend nicht restlos überzeugen... Zurück an den Zelten kochte Küchenchef Darius auf dem
von Robin geliehenen Kocher unser Abendessen: Nudeln mit Thunfischsauce -- für Steffen ohne Thunfisch. Die
Frösche, die in einer kleinen Pfütze neben der Sandbank saßen, quakten laut, ansonsten war der Traktor eines
Bauern vom anderen Ufer zu hören. Als es dunkel wurde, verstummte der Traktor, nur die Frösche quakten munter
weiter. Gegen 22 Uhr gingen wir dann schlafen, da jetzt in der Dunkelheit auch die Mücken aus ihren Schlupflöchern
hervorkamen.
Darius war am zweiten Tag, wie auch an fast allen anderen Tagen, schon sehr früh wach und setzte sich vor
die Kirche, um zu lesen. Um sieben Uhr frühstückten wir dann alle gemeinsam vor den Zelten bei strahlend blauem
Himmel. Anschließend gingen Darius, Steffen und ich gemeinsam über den Deich ins Dorf, während Otto es vorzog,
bei den Zelten zu lesen. Auf dem Weg ins Dorf kam uns ein Bauer entgegen, der gerade seine Kühe auf die Wiese
trieb, an deren äußerstem Ende wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Der arme Otto mußte die Kühe, die
er als Stadtjunge wegen ihrer kleinen Hörner anfangs für junge Stiere hielt, ganz alleine von unseren Zelten
fernhalten. Nachdem wir einmal um die leider verschlossene Kirche herumgelaufen waren, suchten wir nach
jemandem, der uns Wasser geben konnte, und fragten der Bauern, der uns bereits mit seinen Kühen begegnet war
und inzwischen wieder zurück kam. Er führte uns gleich zu seinem Hof und zeigte uns einen Wasserhahn, an dem
wir unseren 20-Liter-Kanister auffüllen konnten. Auch an den folgenden Tagen war es nie ein Problem, frisches
Wasser zu bekommen. Um 9:45 Uhr waren wir dann auf dem Wasser. Recht bald kamen die ersten Stromschnellen,
die sich über die gesamte Breite des Flusses erstreckten. Heute hatten wir allerdings nicht so viel Glück wie
am Vortag: Wir setzten mit dem Heck stark auf. Kurz darauf bemerkten wir einen heftigen Wassereinbruch
im Boot und nutzten den nächsten Sandstrand zum Anlegen. Nachdem wir das Boot entladen hatten, bockten wir es
auf zwei Seesäcken Kiel-oben auf und begutachteten den Schaden. Ein spitzer Stein hatte die Planke neben dem
Kiel auf Höhe des Steuermanns auf eine Länge von etwa einem Meter aufgerissen. Mit Duck Tape war die Stelle
schnell überklebt, allerdings war das Duck Tape anschließend so gut wie aufgebraucht -- weitere Schäden konnten wir
uns jetzt nicht mehr leisten! Anfangs war das Boot dicht, doch nach einiger Zeit hatten wir wieder Wasser im
Boot, das immer mehr wurde. Bald stand es bis zu den Bodenbrettern, so daß wir mit Schöpfen anfingen. Den
Rest der Etappe mußte der Steuermann ununterbrochen schöpfen, um den Wasserstand im Boot konstant auf Bodenbrett-Niveau
zu halten. Bei Kilometer 134 hatte Jübermann eine "schöne Aussicht" verzeichnet, was uns zum Anlegen
motivierte. Tatsächlich hatte man hier einen schönen Blick über die Weichsel und ihr Hinterland. Die Weichsel
fließt noch immer in einem tiefen Bett, aber das Land ist leicht hügelig, so daß man auch vom Boot etwas vom
Land sehen kann. Laut Jübermann sollte sich dann bei Kilometer 145 dann das Dorf Gorka befinden, in dem ein
Lebensmittelladen sein sollte. Das Dorf konnten wir auch vom Fluß aus sehen, allerdings gab es keinerlei
Anlegemöglichkeit, so daß wir weiterfahren mußten. Inzwischen zogen Wolken auf. Anfangs sah es noch so aus,
als würden wir vor dem Gewitter davonrudern, aber schließlich holte es uns doch ein. Wir mußten anlegen und
warteten am Ufer das Schlimmste ab. Als das Gewitter davongezogen war, ruderten wir im leichten Regen weiter
und legten schließlich im Dorf Optowiec bei Kilometer 160,6 direkt unterhalb des Anlegers der Gierfähre an.
Den Fährmann baten wir, ein Blick auf unser Boot zu haben, während wir in den Ort liefen, um einzukaufen.
Im Einkaufsladen war es schön warm, und wir bekamen auch fast alles, was wir brauchten. Nur Müsli gab es nicht --
statt dessen kauften wir Corn Flakes. Im Eingang einer Apotheke machten wir dann geschützt vor dem
Regen Mittagspause, während der der Regen aufhörte und die Sonne wieder durchkam. Als wir noch ein wenig durch
den Ort liefen, sprach uns eine Bäuerin an und lud uns auf ihren Hof ein. Stolz zeigte sie uns ihren Anglo-Arabischen
Hengst und ein junges Kalb. Außerdem liefen auf dem Hof Hühner herum, ein Baby-Dackel, zwei Katzen und was man
sonst noch so alles auf einem Bauernhof erwarten würde. Wir versuchten uns auf polnisch und mit Händen und
Füßen zu verständigen, und waren begeistert, wie nett und offen die Bäuerin war und wie sie uns alles auf ihrem
Hof zeigte. Zurück am Boot ruderten und schöpften wir weiter. Ab Nowy Korczyn begannen wir, nach einer
geeigneten Anlegestelle zu suchen, fanden aber zunächst an dem unzugänglichen Ufer keine Stelle: Dort, wo
Sandstrände sind, ist das Ufer voller Gestrüpp und unzugänglich, so daß man auf dem Sandstrand gefangen ist.
Dort, wo keine Sandstrände sind, ist das Ufer befestigt und ein Anlegen nicht möglich. Bei Kilometer 173,8 fanden
wir dann am linken Ufer einen kleinen Sandstrand, von dem wie am Tag zuvor ein kleiner Feldweg auf das Ufer
hinaufführte. Die Stelle war zwar nicht so schön wie die vorige, aber genügte als Nachtlager. Da unser Boot
wieder Wasser gezogen hatte, bockten wir es erneut Kiel-oben auf den Seesäcken auf und schauten uns die
geklebte Stelle an. Ein Teil des Klebebandes hatte sich gelöst, da wir etwas zu kurz geklebt hatten und das
Duck Tape am bugseitigen Ende vom vorbeiströmenden Wasser unterspült worden war. Also ergänzten wir noch einen
Streifen Duck Tape -- jetzt blieb das Boot bis zum Ende der Fahrt dicht. Nach dem Waschen im Fluß, der hier
am Ufer sehr flach ist und zum Schwimmen nicht so gut geeignet ist, kochten wir Nudeln mit Schinkensauce und
öffneten zum Abschluß des Tages eine Flasch Zubrowka Bison Grass Vodka, den wir zu ein paar Erdnüssen
konsumierten. Als am Abend die Mücken dann mehr wurden, gingen wir in die Zelte schlafen.
Am dritten Morgen standen wir um sieben Uhr auf, als die Sonne aufs Zelt schien und es drinnen immer
wärmer wurde. Sieben Uhr war auch an allen folgenden Tagen auf der Fahrt unsere Frühstückszeit. Darius war
meist als erster wach und stand manchmal schon um fünf oder sechs auf, ich war -- je nach Lust und Laune --
mal schon vor fünf, mal erst um halb sieben auf, Otto meistens etwas vor sieben. Nur Steffen hatte mit dem
frühen Aufstehen, was angesichts des ebenfalls frühen Schlafengehens eigentlich gar nicht früh war, seine
Probleme und kam erst nach gutem Zureden kurz nach sieben verschlafen aus dem Zelt gekrochen.
Heute war es schon am Morgen schwülwarm. Nach dem Frühstück mit Müsli, frischem Obst und Brot
ging ich mit Darius über den Deich ins 20 Minuten entfernte Dorf. Vom Deich hat man hier
einen schönen Blick über die Felder, durchsetzt mit Mohnblumen und anderen Blumen, auf das Dorf und dessen
teils bäuerliche, teils aber auch an Mietshäuser mit mehreren Wohnungen erinnernde Häuser. Insgesamt
waren aber alle Häuser sehr gepflegt, und an mehreren Stellen wurden neue Häuser errichtet. Unsere Annahme,
die polnische Landbevölkerung sei eher arm, wurde von allen Dörfern, die wir entlang der Weichsel gesehen
haben, widerlegt. Um kurz nach zehn ging es dann aufs Wasser. Die Weichsel, die inzwischen schon deutlich
breiter wird, fließt weiterhin mit mäßiger Strömung durch eine Landschaft aus Feldern, Wiesen und kleinen
Wäldern. Durch die Breite des Flusses und das nicht mehr so hohe Ufer ist der Blick ins Hinterland oft
möglich. Auch das Wasser wird jetzt merklich sauberer. Rechts und links am Ufer gibt es immer wieder
Sandstrände, an denen man problemlos anlegen kann. Allerdings gibt es auch im Fluß immer wieder Sandbänke und
Flachstellen, die nicht immer gut zu erkennen sind. Es empfielt sich, immer im Stromstrich zu bleiben und
die Kurven außen zu fahren. Allerdings ist auch das keine Garantie, um alle Flachstellen herumzukommen.
Teilweise ist die Fahrrinne auch durch Pricken gekennzeichnet, jedoch nicht durchgängig, und selbst in der
markierten Fahrrinne gibt es manchmal Flachstellen. Zweimal mußten wir aussteigen und das Boot über eine
Flachstelle ziehen, die aber glücklicherweise nur aus weichem Sand bestand. Mittagspause machten wir beim
Ort Szczucin. Dort ist bei Km 193 am rechten Ufer hinter der Brücke eine gute Anlege- und Rastmöglichkeit
mit Schatten beim Gebäude der Wasserrettung. An der stark befahrenen Schnellstraße in den Ort hinein befindet
sich recht nahe zum Ufer ein großer Supermarkt mit vielfältigem Angebot -- auch Müsli gab es hier. Der Ort
selbst ist abgesehen von seinem Marktplatz, um den herum eine Kirche und einige alte Häuse stehen, nicht sehr
schön. An der Schnellstraße gibt es jedoch außer einem Supermarkt auch noch einen Farben-Laden mit einigem
Heimwerker-Bedarf. Hier fanden wir Holzschrauben (falls unsere Steuerstange nochmal ausreißen sollte) und sogar
Duct Tape (diesmal mit "t" statt "k", da silbergrau). Zurück am Wasser machten wir
Mittagspause im Schatten des Baumes und aßen zum Nachtisch Eis, das wir zuvor im Supermarkt gekauft hatten.
Auch Otto, der nicht mit einkaufen gekommen war, war fleißig gewesen und hatte frisches Wasser besorgt. Als
wir wieder losrudern wollten, kamen die Leute der Wasserrettung und erkundigten sich neugierig nach unserer
Strecke, den Maßen unseres Bootes und wie oft wir schon auf Grund gelaufen seien. Nach der Pause bewölkte es
sich wieder, wurde schwül und drückend, und die Sonne war weg -- aber es blieb trocken. Die Sandstrände am
Ufer werden hier weniger, aber flache Stellen im Fluß gibt es weiterhin viele. Einmal mußten wir in der
Strömung aus dem Boot springen, wobei ich vom Ausleger mitgerissen wurde und ein unfreiwilliges Bad nahm. Als
Ort für unser Nachtlager wählten wir den von Jübermann empfohlenen Sandstrand am Ende der Insel bei Km 218 am
rechten Ufer. Nach dem Aufbauen der Zelte und unserem täglichen work-out, bestehend aus push-ups und sit-ups,
wuschen wir uns in der Weichsel und spielten anschließend auf dem herrlichen Strand Frisbee, mit Blick auf das einige
Kilometer entfernte Kraftwerk Polaniec, während Feuermeister Steffen Feuerholz für unser erstes Lagerfeuer
sammelte. Nach dem Essen -- es gab Reis mit Würstchen und Erbsen -- entfachte Steffen das Feuer, das uns bis
in den späten Abend wärmte und auch die Mücken forthielt. Aus Mangel an Grillwürstchen versuchten wir, unsere
Wiener Würstchen zu grillen, was halbwegs glückte -- zumindest waren sie anschließend warm und schmeckten gut.
Zum kleinen Schluck Vodka gab es wieder Erdnüsse, bevor wir gegen 23 Uhr schlafen gingen.
Der Morgen zur vierten Etappe begann, wie fast jeder Morgen, mit strahlend blauem Himmel und viel Sonne,
die auf die Zelte schien. Auch heute war es schon morgens sehr warm. Um der Tageshitze zu entgehen, gingen wir
heute schon um neun Uhr aufs Wasser. Die Weichsel wird jetzt immer breiter, die Strömung läßt merklich nach,
ist jedoch bei Flachstellen deutlich zu spüren. Die Sandbänke nehmen stark zu und befinden sich immer häufiger
auch in Flußmitte, so daß der Steuermann rechtzeitig entscheiden muß, auf welcher Seite er sie am besten
umfährt. Der Verlauf der Strömung hilft dabei, den richtigen Weg zu finden.
Auch Inseln, die von kreischenden Möwen bewohnt werden, sind jetzt öfters zu finden.
Der Kuckuck, den wir seit dem ersten
Tag an ständig gehört hatten, begleitete uns auch heute wieder mit seinem Ruf. Auch die weiteren Tage der Fahrt
war er immer zu hören -- für uns als Großstädter ungewohnt, aber schön! Entlang der Weichsel gibt es kaum
Industrie, aber die heutige Etappe führte vorbei am imposanten Kraftwerk Polaniec, welches wir schon am Abend
zuvor von unserem Strand hatten sehen können. Das Wasser ist ab hier für einige Kilometer recht stark verschmutzt,
wird aber schon bald wieder sauber. In Baranow Sandomierski legten wir bei Kilometer 242,5 am rechten Ufer in
einer Bucht vor
der Fähre an, um uns den Renaissance-Palast der Kleinstadt anzuschauen. In der Tat ist der aus dem Übergang
vom 16. zum 17. Jahrhundert von Andrzej und Rafal Leszczynski erbaute Palast mit seinem schönen Garten äußerst
sehenswert. Auch sonst scheint die Stadt recht wohlhabend zu sein und verfügt über einige sehr schicke Häuser.
Die Gelegenheit, in einer kleinen Stadt zu sein, nutzten wir gleich zum Einkaufen. Zurück am Boot machten
wir Mittagspause, die aufgrund von Unterversorgung mit Schatten jedoch recht kurz ausfiel. Also ruderten
wir bei heißem Wetter und brennender Sonne weiter bis kurz vor die Fähre von Tarnobrzeg, wo wir zum Wasserholen
an der rechten Flußseite zwischen einer Boje, an der ein Motorboot hing, und dem Ufer anlegten. Nachdem unser
Wasserkanister wieder voll war, legten wir ab. Die Strömung war hier so stark, daß wir das Ablegemanöver vorher
genau planen mußten: Um nicht in die Buhne gedrückt zu werden, mußten wir mit voller Kraft an der Boje des
Motorbootes vorbeirudern, sobald der Bug von der Strömung erfaßt und herumgedrückt wurde. Nachdem wir alles
durchgesprochen hatten, sprangen alle schnell ins Boot, während ich als Steuermann das Boot noch festhielt.
Schon drückte die Strömung den Bug herum, aber wenige Sekunden später waren alle ruderklar und ruderten mit
kräftigen, schnellen Schlägen los. Der Plan ging auf, wir kamen gut an der Boje vorbei wieder in den offenen
Fluß! Höhepunkt des heutigen Tages sollte die Besichtigung der Stadt Sandomierz werden, eine der wenigen
etwas größeren Städte zwischen Krakau und Warschau und zusammen mit Kazimierz die sehenswerteste. Vor der
Stadt, die sich in eindrucksvollem Panorama auf einem Hügel über der Weichsel erhebt, befinden sich mehrere
Stege, die jedoch alle von Booten blockiert waren. Die Wasserretter, die sahen, daß wir gerne anlegen wollten,
legten daraufhin mit ihrem Boot ab und zogen es etwas flußab an einer Rampe heraus, so daß wir den Steg
benutzen konnten. Nachdem wir festgemacht hatten, baten wir die Lebensretterinnen, die dort auf dem Steg saßen,
ein wenig auf unser Boot zu achten, während wir in der Stadt umherliefen. Vorbei an der Burg und dem Dom hoch
oben auf dem Hügel liefen wir in Richtung Altstadt. Auf dem Weg kamen wir am Collegium Gostomianum, vorbei,
einer Universität aus dem Jahr 1602, die in einer tollen Anlage mit Blick auf die Weichsel untergebracht ist.
Das Zentrum der Altstadt bildet ein Marktplatz mit Rathaus und sehr schönen alten
Häusern, vor denen es zahlreiche Cafes und Restaurants gibt. Otto
wäre am liebsten den ganzen Tag hier geblieben, aber leider war es bereits abends und wir mußten noch eine
Stelle für unser Nachtlager finden. Also verabschiedeten wir uns nach einem Rundgang durch die außerordentlich
schöne Stadt schweren Herzens wieder von Sandomierz, obwohl wir alle gerne noch länger geblieben wären. Auf dem
Rückweg zum Boot fing es erst leicht an zu nieseln, dann wurde der Regen stärker. Plötzlich brach das Gewitter
voll los und der Regen pladderte auf uns ein, so daß wir uns unter die Schirme eines Biergartens an der
Uferpromenade flüchteten, wo sich auch die
Lebensretterinnen hin zurückgezogen hatten. Einige kräftige Sturmböen bliesen die Schirme fast davon und
trieben den Regen horizontal unter ihnen hindurch, so daß wir auch dort durchnäßt wurden. Zum Aufwärmen
bestellten wir einen heißen Tee und warteten auf das Ende des Gewitters. Danach ruderten wir weiter, auf der
Suche nach einer guten Anlegestelle für die Nacht. Etwas unterhalb von Sandomierz, bei Kilometer 272 auf
der rechten Flußseite, direkt oberhalb der Einmündung eines kleinen Flusses, fanden wir eine geeignete Stelle
auf der hohen Böschung. Das Boot ließ sich zwar hier nicht herausnehmen, aber da auf der Weichsel ohnehin
keine Schiffahrt war, die Wellen verursachte, das Gewitter vorbei und das Ufer sandig war, beschlossen wir,
das Boot einfach mit einigen langen Seilen und Riemen außerhalb der Strömung abzuspannen und über Nacht im
Wasser liegen zu lassen. Oben auf der Böschung fanden wir einen idealen Lagerplatz vor mit kurzem Gras und
schönem Blick auf den gegenüber liegenden Pfefferberg und zurück nach Sandomierz. Einzig störend waren die
Geräusche, die von einer zwei Kilometer entfernten Schnellstraße und gelegentlich auch von den einen Kilometer
entfernten Bahngleisen herüberdrangen. Nachdem wir uns in dem hier relativ verschmutzten Wasser gewaschen
hatten, kochten wir unser Abendessen (heute wieder Reis). Während dessen kam ein junger Pole auf einem Fahrrad
vorbeigefahren, mit dem wir uns nett auf Englisch unterhielten. Nach dem Essen flohen wir um halb zehn vor
den Mücken in die Zelte.
Die fünfte Etappe sollte kurz werden -- heute wollten wir mal früh ankommen und den Nachmittag etwas
Zeit für andere Dinge haben. Trotzdem standen wir um sechs Uhr auf -- Steffen dann um sieben -- und hatten
einen schönen Blick auf das in der Morgensonne liegende Sandomierz. Um kurz nach neun legten wir ab und hatten
als ersten Halt Zawichost, eine der ältesten Städte Polens, vorgesehen. Dort machten wir an anderen Booten
fest, die am Ufer lagen, und liefen in die Stadt. Zawichost muß wohl einmal eine bedeutende Stadt in der
Gegend gewesen sein, hat aber heute nicht mehr viel zu bieten. Von der Kirche hat man einen tollen Blick auf
die Weichsel und das dahinter liegende Land. Gleich nebenan ist ein Kloster. Wirklich schön hingegen war der
Friedhof, der am anderen Ende der Stadt auf dem Hügel der Weichsel zugewandt liegt. Nachdem wir unseren
Proviant etwas vervollständigt und frisches Wasser geholt hatten, ruderten wir weiter. Obwohl etwas Wind
aufkam, blieb das Wasser glatt. Auch heute gab es wieder viele Sandbänke und Flachstellen im Fluß, so daß
wir mehrfach aufsetzten -- glücklicherweise aber immer auch weichem Sand. Die heutige Etappe führt unter anderem
auch an mehreren Kalkfelsen vorbei, die eine interessante Abwechslung darstellen. Gegen Ende der Etappe sieht
man schon aus der Entfernung die beiden kleinen Dörfer Nowe und Slupia Nadbrzena auf einem Hügel am Ufer der
Weichsel liegen. Letzteres Dorf hatten wir als unser heutiges Etappenziel gewählt. Vor dem Ort befindet sich
ein riesiger Sandstrand, der von den Einwohnern auch intensiv zum Baden genutzt wird. An diesem Strand (bei Kilometer
306 am linken Ufer) legten
wir an und bauten unser Zelt unter einem großen Baum am Ufer auf. Nach einer langen Mittagspause gingen wir
zunächst einmal baden, anschließend faulenzten wir etwas, lagen auf dem Strand und lasen oder dösten. Daran
konnte uns auch der auffrischende Wind, der immer wieder Sandböen über uns hinweg blies, und der kurzzeitige
leichte Nieselregen nicht stören. Steffen hatte inzwischen schon mit Darius Holz für unser heutiges Lagerfeuer
gesammelt. Gegen Abend liefen wir dann etwas durch das Dorf. Eine kleine Straße führt nach rechts auf den
Hügel hinauf. Die Bewohner haben hier, wie in allen anderen Dörfern, alle Hunde, die beim Vorbeigehen heftig
bellen und erst nach langer Zeit wieder verstummen. Der Weg wird aber belohnt, denn am Ende der Straße befindet
sich eine kleine Holzbank mit phantastischem Blick über die Weichsel. Otto nutzte diese Gelegenheit gleich,
um sich niederzulassen und zu lesen, während wir nach einiger Zeit wieder zurückliefen. Als dann gegen Abend
wieder die Sonne heraus kam, gesellte ich mich mit einem Buch zu Otto und genoß den Blick über den
Buchrand auf die Landschaft. Nach dem Essen versuchten wir wieder, über dem Feuer einige Würstchen zu grillen,
die eigentlich gar keine Grillwürstchen waren, aber trotzdem schmeckten, und gingen dann um 23 Uhr in die Zelte
schlafen.
Am sechsten Morgen weckte mich Darius, der bereits auf war, um 4:30 Uhr. Die Sonne war gerade aufgegangen,
Nebel lag auf der Weichsel -- ein herrlicher Anblick. Nachdem ich mir den Sonnenaufgang von unserem Lagerplatz
aus angeschaut hatte, schnappte ich mir ein Buch und ging die kleine Dorfstraße hinauf zur Bank, wobei ich
mich vorsichtig an den Hunden vorbeischlich, um nicht gleich das ganze Dorf aufzuwecken. Mit Erfolg -- nicht
ein einziger Hund bemerkte mich, und es blieb still. Von der Bank konnte man schön beobachten, wie die
aufgehende Sonne langsam die Nebel von der Weichsel aufstiegen ließ und der Tag über dem Land erwachte. Etwas
später kam Darius mit einem Buch und setzte sich zu mir. Als wir dann nach einiger Zeit wieder zu unseren
Zelten hinabstiegen, war auch Otto bereits wach und hatte schon ein Bad in der Weichsel genommen. Wie immer
frühstückten wir gegen sieben Uhr und waren dann etwa um neun Uhr auf dem Wasser. Es war wie in den letzten
Tagen sonnig, allerdings nicht mehr strahlend blau, sondern mit ein paar hohen Schleierwolken. Außerdem war
es deutlich kühler als in den letzten Tagen, und es blies eine leichte Briese. Die Landschaft wurde auf der
heutigen Etappe immer schöner: Die inzwischen recht breite Weichsel fließt an mehreren Hügeln und
Kalksteinfelsen vorbei. Das Ufer, seit einiger Zeit schon deutlich flacher als an den ersten Tagen, ist überwiegend
natürlich und erlaubt einen Blick ins weite Land. Nachdem wir an einem beeindruckenden Landhaus am Ufer
vorbeigerudert waren, legten wir zur Mittagspause bei der Fähre von Klodzie an. Die Fähren erwiesen sich auf
der Fahrt als besonders günstige Anlegemöglichkeit für den Landgang, da von ihnen aus eine Straße in die
Orte führt und man sich nicht durch das teilweise urwüchsige Ufer schlagen muß. Otto entschied sich gleich für
den Biergarten an der Fähre und trank einen Kaffee, während Steffen, Darius und ich über die Landstraße nach
Solec liefen, um uns die von Jübermann erwähnte Burgruine und das Kloster anzusehen. Der Weg war weit -- wir
liefen ziemlich lange -- und lohnenswert war er auch nicht. Das Kloster war eine einfache Kirche, in der
gerade ein Gottesdienst abgehalten wurde, und die Burgruine bestand aus einer verlassenen und inzwischen
grasbewachsenen Mauer am Hang. "Lohnend" war nur der Besuch eines kleinen Einkaufsladens, wo wir
uns ein Eis kauften, sowie Weintrauben und frische Gurken. Zurück am Ufer machten wir auf den Bänken eines
überdachten Holzpavillons unsere Mittagspause und setzten uns anschließend wieder in den Biergarten, wo wir
einen Kaffee tranken. Steffen, der ohnehin keinen Kaffee mochte, verspürte schon am Sonntag Vormittag das
Bedürfnis nach Alkohol und bestellte sich ein Piwo. Nach dieser langen und entspannten Pause ruderten wir
wieder weiter. Zum ersten Mal auf der Fahrt begegnete uns hier ein Sportmotorboot.
Die Weichsel hatte wieder viele Flachstellen zu bieten, um die herumzusteuern nicht immer
möglich war, und so setzten wir auch heute wieder einige Male auf weichem Sand auf. Das eine
Mal blieb aber unser Steuer stecken, dessen Stange wir ja bereits am ersten Tag beschädigt hatten. Glücklicherweise
hatten wir inzwischen Schrauben gekauft, so daß wir die Steuerstange diesmal schnell "unter Wasser"
ohne das Boot herauszunehmen wieder reparieren konnten. Anschließend begann die Suche nach einer Anlegestelle
für die Nacht. Eigentlich wollten wir eine Stelle am linken Ufer finden, um zu der von Jübermann erwähnten
Schloßruine laufen zu können, jedoch konnten wir am linken Ufer zwar Sandstrände und Inseln finden, jedoch
von ihnen aus keinen Zugang zum dahinter liegenden Land. Schließlich gaben wir die linke Uferseite auf und
fanden auf der rechten Seite einen riesigen Sandstrand, an dessen hinterstem Ende wir bei Kilometer 355
kurz vor der Windmühle anlegten. Die Stelle erwies sich als Volltreffer! Als wir aus dem
Boot stiegen und auf den hohen Sandstrand liefen, konnten wir die beeindruckende Schloßruine direkt gegenüber
am anderen Ufer sehen. Sie war für uns zwar von hier unerreichbar, aber der Blick genügte uns. Am anderen
Ufer die Windmühle, dazu dieser schöne Strand und kein Ort in der Nähe zu sehen -- wir waren begeistert! Es
war der schönste Lagerplatz auf der gesamten Fahrt! Das Boot ließ sich hier, da die Kante des Sandstrands
recht hoch war, nur schwierig herausnehmen, also banden wir es kurzerhand am Ende des Sandstrandes außerhalb
der Strömung ab und ließen es im Wasser liegen. Auf dem Strand folgte dann das Foto-Shooting Die Guten
am Weichselstrand. Anschließend machten wir unser tägliches work-out und gingen
in der Strömung schwimmen. Von der hohen Kante des Strandes kann man, wenn man vorsichtig ist, mit einem
Kopfsprung in die Weichsel springen und sich dann 100 Meter in dem hier sehr sauberen Wasser entlang des
Strandes stromab treiben lassen. Es war einfach genial! Nachdem wir wieder angezogen waren, wollten wir
zur Windmühle laufen. Sie ist zwar nur etwa einen Kilometer entfernt, aber um dorthin zu gelangen, muß man
durch hohes Gras und Gestrüpp laufen. Wir schlugen uns unseren Weg zur Windmühle durch, bis wir schließlich
vor Wasser standen. Unsere Anlegestelle stellte sich als riesige Insel heraus, und die Windmühle lag auf dem
Festland. Also drehten wir um und liefen wieder zurück zum Strand, wo wir Frisbee spielten und lasen. Zum
Abend wurde das ohnehin schon gute Wetter immer besser: Die Temperaturen waren sehr angenehm, und die Sonne
schien vom strahlend blauen Himmel. An den vorherigen Abenden war es meistens leicht bewölkt gewesen. Die
Abendstimmung auf unserem Sandstrand war einfach toll. Nachdem genug Holz für das Lagerfeuer gefunden war,
welches auf den Sandstränden zu genüge vorhanden ist, gab es Nudeln mit Würstchen zum Abendessen. Anschließend
entfachte Steffen das Lagerfeuer. Vom Feuer gewärmt spielten wir zum ersten Mal auf der Fahrt heute abend
einige Runden Skat. Als es dann dunkel wurde, konnten wir über der Weichsel direkt neben der
Mondsichel auch die Venus sehen, die im Juni am Abendhimmel dem Mond sehr nahe war. Als diese beiden untergegangen
waren und auch unser Lagerfeuer langsam kleiner wurde, wurden immer mehr Sterne sichtbar -- sogar die
Milchstraße war zu sehen. Gegen Mitternacht, so spät wie noch nie zuvor auf dieser Fahrt, gingen wir dann
schlafen. Um das Naturerlebnis zu perfektionieren, entschied ich mich, diese Nacht nicht im Zelt, sondern
auf der Isomatte auf dem Strand vor dem Zelt unter freiem Himmel zu schlafen. So konnte ich auf dem Rücken
liegend noch eine Weile den Sternenhimmel betrachten.
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Da ich unter freiem Himmel schlief, konnte ich am Morgen des siebten Tages aus meinem Schlafsack heraus
beobachten, wie es langsam immer heller wurde und dann die Sonne über dem anderen Weichselufer aufging und
im frühen Sonnenlicht Nebel über dem Wasser aufstieg -- ein unglaublich schönes Naturspiel, das man als
Großstädter höchst selten erleben kann -- vielleicht manchmal, wenn wir im November morgens vor Sonnenaufgang
trainieren. Auch Darius kam um 4:25 Uhr kurz aus seinem Zelt heraus, bis die ersten Strahlen zu sehen waren,
und legte sich dann wieder hin. Zum Frühstück um sieben Uhr hatte Steffen heute einige Probleme mit dem Aufstehen
und kam erst nach langem, gutem Zureden hervor. Ein paar Wolken waren heute früh am Himmel, und es war deutlich
kühler als die letzten Morgende, dadurch aber sehr angenehm. Um viertel vor neun waren wir auf dem Wasser, und
etwa eine halbe Stunde später erreichten wir Kazimierz -- neben Sandomierz zwei Tage zuvor die interessanteste
Stadt zwischen Krakau und Warschau. Man merkt Kazimierz sofort an, daß es auf Tourismus vorbereitet ist: Am Ufer liegen
mehrere Ausflugsschiffe in Form von Wikinger- und Piraten-Schiffen, die unter anderem Fahrten zur Windmühle
anbieten. Außerdem existiert ein kleiner Sportboothafen, in dem wir anlegen konnten. Nachdem wir an der
Rezeption der Marina das Einverständnis erhalten hatten, unser Boot hier für zwei Stunden liegen zu lassen,
liefen wir die Uferpromenade entlang zum Hauptplatz. Hier stehen einige wirklich alte und sehr sehenswerte
Häuser, außerdem gibt es jede Menge Cafes und Restaurants. Vorbei an der Kirche liefen wir als nächstes zur
Burgruine aus dem 14. Jahrhundert, von der aus man einen herrlichen Blick auf den Fluß hat. Obwohl es noch
früh war, waren bereits einige andere Besucher unterwegs, unter anderem auch einige Schulklassen, die
vermutlich in der Jugendherberge von Kazimierz einquartiert waren. Zurück an der Kirche wollten wir gerne
einen Blick hineinwerfen, waren aber in unseren kurzen Ruderhosen und Hemden für einen Kirchenbesuch nicht
ganz adäquat gekleidet. Der nette Herr am Eingang der Kirche erkannte aber, daß wir als Wassersportler unterwegs
waren, und erlaubte uns ungefragt, auch so in die Kirche einzutreten. Neben dem Kronleuchter in Form eines
Hirschschädels mit Geweih beeindruckte vor allem die hölzerne Orgel der Lubliner Spätrenaissance aus dem Jahr
1620. Danach ließen wir uns in einem Cafe nieder. Bevor wir wieder weiterruderten, kauften wir noch je eine
Schale Erdbeeren und Himbeeren für je 3 Zloty, die phantastisch aromatisch schmeckten. In Pulawy, einer
größeren, aber zumindest vom Wasser aus häßlichen Stadt, legten wir rechts etwas hinter der Brücke an, um im nahe
gelegenen großen Supermarkt uns mit neuem Proviant für die letzen drei Tage zu versorgen. Als wir aus dem
Supermarkt zurück kamen, hatte es sich bewölkt. Wir ruderten schnell weiter, aber das heranziehende Gewitter
kündigte sich bereits mit Blitzen und starkem Wind an. Als es näher kam, legten wir an, warteten den kurzen
Schauer ab -- das Gewitter hatte sich inzwischen in Nichts aufgelöst -- und ruderten nach einer kurzen
Mittagsessenspause weiter. Bis zum Abend blieb es bewölkt und recht kühl.
Während in der Gegend um Kazimierz für die Weichsel verhältnismäßig viel losgewesen war -- man
sah Menschen am Ufer, Dörfer, ab und zu ein Boot -- wurde es hinter Pulawy jetzt richtig einsam. Von Zivilisation
war nichts mehr zu erkennen: Es gab keine Dörfer mehr zu sehen, keine Angler mehr am Ufer, und andere Boote schon
gar nicht. Die Weichsel wird jetzt noch einmal deutlich breiter und bildet viele kleine und größere Inseln im Fluß.
Das Steuern um die Inseln und Flachstellen herum bleibt weiterhin anspruchsvoll und erfordert große
Aufmerksamkeit, wo denn die Strömung lang fließt und man am besten hindurchrudern kann. Nach einigem Suchen
einer Anlegestelle wurden wir bei Kilometer 405 am Ende eines riesigen Sandstrandes links der Fahrrinne auf
einer großen Insel fündig. Nach dem Zelte-Aufbauen und Waschen suchten wir wieder Feuerholz, welches jedoch
aufgrund des Regenschauers etwas feucht war. Es dauerte daher diesmal etwas länger, bis es uns gelang, ein
Feuer zu entfachen. Der noch immer starke Wind erleichterte dies nicht unbedingt. Trotzdem wollten wir heute
unbedingt ein Feuer haben, da wir im Supermarkt endlich Grillwürstchen gefunden hatten, die wir nun grillen
wollten. Schließlich brannte das Feuer, und wir konnten die Würstchen grillen, was mangels vernünftiger
Utensilien nicht ganz leicht war. Aber die einmal in den Sand gefallenen und etwas verkohlten Würstchen
schmeckten uns trotzdem gut... Den Würstchen folgten ein paar in Alu-Folie gegarte Kartoffeln, dazu gab es
wieder einen Schluck Zubrowka-Vodka. Nach ein paar Runden Skat wurde es langsam trotz des Feuers recht frisch
und feucht, so daß wir um 23 Uhr schlafen gingen.
Auch am achten Tag konnten wir wieder einen schönen Sonnenaufgang beobachten, auch wenn trotz Sonne
einige Schleierwolken am Himmel waren. Es wehte eine frische Brise und war ziemlich kühl. Die Landschaft auf
der heutigen Etappe jedoch war wieder grandios. Der Fluß ist noch immer sehr breit und bildet viele Inseln
und Sandbänke, um die die Strömung herumpendelt. Man fährt dabei oft große Schlangenlinien, wenn man der
Strömung vom linken ans rechte und wieder zurück ans linke Ufer folgt. Die Fahrrinne ist jetzt gut durch
Pricken und Tonnen gekennzeichnet, die man manchmal jedoch etwas suchen muß. Teilweise liegt die nächste
rote oder grüne Markierung so weit am anderen Ufer, daß man sich fragt, ob sie sich vielleicht losgerissen
hat und eigentlich dort gar nicht hingehört. Dann erkennt man aber schnell, daß voraus schon wieder eine
Flachstelle ist und die Markierung, dort wo sie ist, durchaus ihre Berechtigung hat. Auf den kleinen Inseln
und Sandbänken nisten unzählige Möwen, deren Geschrei manchmal sogar den Kuckuck übertönt. Etwas schwierig ist
es, die eigene Position exakt zu bestimmen, denn Kilometerschilder fehlen größtenteils oder sind irgendwo
versteckt, wo man sie nicht entdeckt. Abgesehen von einem weiteren Kraftwerk, das wir heute passierten,
war von Zivilisation nicht viel zu sehen: Man hat noch immer das Gefühl, durch eine absolut menschenleere
Gegend zu rudern. Der Wind blies immer heftiger, meist von vorn, manchmal auch von der Seite -- je nachdem,
wie wir auf dem Fluß unsere Schlangenlinien fuhren. Bei unserer Mittagspause wurde es dann richtig stürmisch.
Bevor wir weiterruderten, holte Steffen noch Wasser, aus einem Wasserhahn am Hof eines Bauern, auf den dieser
gedeutet hatte. Das Wasser sah jedoch bereits in unserem Kanister gelblich-trüb aus, so daß wir zweifelten,
daß dies Trinkwasser sei. Aufgrund der kühlen Temperaturen hatten wir aber noch genug klares Wasser in unseren
Flaschen, so daß wir das trübe Wasser nur zum Abspülen benutzten und am folgenden Tag den Rest weggossen.
Beim Weiterrudern blies der Wind noch immer kräftig, und erstmals bildeten sich jetzt auch ordentliche Wellen
auf der Weichsel. Aufgrund der großen Breite des Flusses hatte der Wind viel Angriffsfläche, und auch die
Bäume und Wälder am Ufer boten keinen wirklichen Windschutz. Bei Kilometer 454 (ca. ein Kilometer vor den
Hochspannungsleitungen) fanden wir am linken Ufer an einem kleinen Strand, an dem zwei Fischerkähne lagen,
hinter Bäumen eine gute Anlegestelle für die Nacht. Ein Bauer, der vorbei kam, schien erst nicht so erfreut
zu sein, hatte aber dann keine Einwände, sofern wir nicht in seinen Obstfeldern hinterm Deich zelteten --
so zumindest deuteten wir seine polnische Rede. Zum Aufwärmen kochten wir erstmal Tee und spielten anschließend
wieder etwas Skat, lasen und liefen umher. Nach dem Essen, Darius hatte polnische Nudeln mit Pesto zubereitet,
gingen wir in den hinter dem Deich gelegenen Ort Mniszew und entdeckten dort ein großes Kriegsdenkmal, an
welchem die Frontlinien zwischen polnischer Armee und Wehrmacht im September 1944 eingezeichnet waren. Im
Wald dahinter waren alle möglichen Panzer, Haubitzen und LKWs der polnischen Armee aus dem zweiten Weltkrieg
ausgestellt. Ein Kiosk neben dem Denkmal verkaufte uns ein Bier, das wir vor den Zelten tranken und anschließend
schlafen gingen.
In der Frühe des neunten Tages standen die Zelte erstmals im Schatten und wurden nicht schon früh von
der Sonne erhitzt. Trotzdem frühstückten wir wie immer um sieben Uhr -- diesmal allerdings ein paar Meter
abseits der Zelte in der Sonne, da es im Schatten um diese Zeit noch ziemlich frisch war. Am Tag wurde es
dann auch heute bei blauem Himmel wieder angenehm warm, jedoch nicht heiß. Die Etappe führte wieder vorbei
an vielen Inseln. Oft ragten Baumstämme und anderes Treibholz aus dem Wasser hervor, nicht nur am Ufer, sondern
auch direkt in der Fahrrinne, und verlieh der Weichsel in diesem Abschnitt ein besonders urwüchsiges Aussehen.
Wie am Tag zuvor waren auch heute Kilometerschilder kaum zu sehen, die Fahrrinne hingegen war gut markiert.
In Gora Kalwaria legten wir am Sandstrand hinter dem Fähranleger an, um in der Stadt ein paar Dinge einzukaufen.
Mehrere Schulklassen waren am Strand unterwegs, auch einige andere Leute waren da, aber obwohl wir das Boot
für eine Stunde ganz alleine gelassen hatten, ist nichts passiert -- ein weiteres Beispiel dafür, daß auf dem
Land und in Kleinstädten das mit dem Klauen längst nicht so schlimm ist, wie viele immer denken. Der Ort selbst
ist nicht sonderlich interessant, aber eine alte Frau verkaufte uns am Straßenrand für 8 Zloty einen riesigen
Korb Erdbeeren, die einfach köstlich schmeckten. Nach einer Mittagspause auf dem Strand ruderten wir bei
noch immer gutem Wetter mit einigen Schäfchenwolken und inzwischen beinahe Windstille weiter. Entlang des
einsamen Flusses ist von Zivilisation noch immer kaum etwas zu sehen, aber das Dorf Gassy liegt direkt am
Fluß, so daß wir hier noch einmal sauberes Trinkwasser holten. Anschließend galt es, einen schönen Lagerplatz
für die Nacht zu finden, bevor wir Warschau zu nahe kamen. Da keine Kilometerschilder zu sehen waren (später
stellten wir fest, daß diese teilweise auf dem Deich hinter den Bäumen stehen und daher von Fluß aus nicht oder
kaum sichtbar sind), war es nicht ganz leicht
abzuschätzen, wo wir waren. Schließlich fanden wir einen schönen Sandstrand am linken Ufer (es war Kilometer
495,5), den wir für die Nacht auswählten. Nach unserem üblichen Programm -- Zelte, work-out, Waschen -- tranken
wir einen Schluck Tee und aßen dazu von den frischen Erdbeeren. In der Entfernung hörte man vom anderen Ufer
die Geräusche einer Autostraße, welche jedoch meist vom Geschrei der Möwen übertönt wurden. Da es noch früh
war, spielten wir noch Frisbee und Skat bzw. lasen etwas in der Sonne, bevor es Abendessen gab. Danach wurde
das letzte Lagerfeuer entfacht und das letzte Mal auf der Fahrt ein Schluck Vodka getrunken. Als wir langsam
schlafen gehen wollten, warf Steffen zum Schluß das ganze restliche Holz aufs Feuer, welches daraufhin groß
aufflammte und bis zum frühen Morgen noch glühte.
Der letzte Rudertag begann wieder mit Morgensonne und blauem Himmel -- das Wetter hat es wirklich gut
mit uns gemeint auf der gesamten Fahrt. Obwohl Steffen sich heute erst um halb acht aus dem Zelt quälte, waren
wir bereits um kurz vor neun auf dem Wasser. Da heute nur 20 Kilometer anstanden, fielen die Steueretappen
sehr kurz aus. Man merkt, daß man sich einer Großstadt nähert. Zwar ist von Industrie nicht viel zu sehen --
diese liegt etwas abseits -- aber die Landschaft wird eintöniger, die Weichsel wirkt nicht mehr so natürlich.
Plötzlich taucht am Horizont dann die Skyline von Warschau auf. Von der Stadt selbst sieht man aber, ähnlich
wie von Krakau, nicht sehr viel vom Wasser. Obwohl man sich schon längst im Stadtgebiet befindet, gibt es
auf beiden Seiten des Ufers nur Bäume zu sehen, unter denen große Straßen entlangführen. Wohnhäuser sucht
man vergeblich. Hier kam ein Trupp Polizeiboote an uns vorbei, der uns zuwinkte und uns fotografierte.
Schließlich erreichten wir die Altstadt, der einzige Punkt, an dem man vom Wasser einen schönen Blick auf
Warschau hat: Man sieht neben den alten Häusern vor allem das Schloß auf einem kleinen Hügel über der Weichsel
liegen. Nach diesem Blick drehten wir um und ruderten etwa einen Kilometer wieder stromauf zum Ruderclub
Warszawskie Towarzystwo Wioslarskie, der bei Kilometer 511,5 am linken Ufer liegt. Die Strömung erschien dabei
deutlich stärker als dies beim Flußab-Rudern der Fall war. Am Steg war gerade Trainingsbetrieb, so daß wir
etwas warten mußten, bis wir anlegen konnten. Nach dem Anlegen erfuhren wir, daß es besser sei, wenn wir zu
dem anderen Stützpunkt des Clubs 500 Meter stromauf rudern würden. Also stiegen wir wieder ins Boot und ruderten
weitere 500 Meter gegen die Strömung, bis an einem Pionierdenkmal neben einem Sandstrand am linken Flußufer
ein kleiner Schutzhafen mit großen Toren abzweigt. Die Einfahrt ist wegen der geringen Breite bei der Strömung
für Ruderboote nicht ganz einfach. Dort drin befindet sich ein weiterer Steg der WTW, wo wir bereits von einer
netten Dame, die gut Englisch sprach, erwartet wurden. Hier trafen wir auch die vier Paddler aus Hamburg wieder,
die wir in den letzten drei Tagen ein paar Mal auf dem Wasser gesehen hatten. Nach dem Abriggern des Bootes putzten wir dieses gründlich
und bauten danach die Zelte auf. Anschließend duschten wir kalt -- Erinnerungen an den Running Gag der
Prag-Fahrt "die Duschen sind kalt" kamen wieder auf. Nach der
ersten Dusche seit 10 Tagen liefen wir dann frisch gewaschen und wohl-duftend in die Stadt. Dabei kamen wir
zunächst an dem gewaltigen Pionierdenkmal vorbei, hinter dem sich ein großer Park anschließt. Dann liefen
wir den Königsweg, an dessen unterem Ende prachtvolle Bürgerhäuser stehen, vorbei an der Universität und
vielen Läden, Restaurants und Cafes, in die Altstadt. Über die Barbakane gelangten wir in die Neustadt, die
ebenfalls alt ist. Überall gab es schöne Häuser und Plätze, wobei es aber deutlich weniger touristisch als in
Krakau war. In der Neustadt waren wir dann in einem Restaurant essen, in dem die Vorspeisen eher mittelmäßig waren,
die Hauptgerichte aber hervorragend. Danach liefen wir wieder zurück zum Ruderclub und wurden im Park von
einsetzendem Regen überrascht. Als wir die Zelte erreicht hatten, wurde der Regen stärker, und als wir schließlich
in den Zelten waren, regnete es ziemlich stark -- von den wenigen Nachmittagsgewittern abgesehen zum ersten
Mal auf der Fahrt.
Als wir morgens wach wurden, regnete es noch. Schließlich, als der Regen aufgehört hatte, krochen wir aus
den Zelten. Eine dichte Wolkendecke hing über der Stadt. Heute war Ruhetag in Warschau angesagt, bevor
es am nächsten Tag wieder zurück in die Heimat gehen sollte. Nach einem Frühstück in einem etwas entfernten
Cafe liefen wir im Nieselregen durch den Park Lazienkowski, eine wirklich tolle Parkanlage mit vielen alten
Bäumen, Wasser, kleinen Tempeln und vor allem: Pfauen! Abgesehen von unserer Pfaueninsel in Berlin habe ich
sonst noch nie frei herumlaufende Pfauen gesehen. Nachdem wir den Park durchquert hatten, liefen wir wieder
in die Altstadt und setzten uns in ein Cafe. Anschließend trennten sich unsere Wege. Während ich mich mit einer
Zeitung, die ich am Bahnhof gekauft hatte, in ein Cafe setzte, liefen Darius und Steffen noch einmal zur
Weichsel und auf das andere Ufer. Otto mußte für sein Praktikum noch einige Tests im Internet absolvieren.
Am Abend trafen wir uns wieder und setzten uns mit einem Bier unerlaubterweise in einen Park. Danach gingen
wir zu der Bühne, die am Königsweg aufgebaut war, und schauten uns die Veranstaltung an: Der Modesender
fashiontv feierte hier heute mit einer Modeschau von polnischen und spanischen Designern seinen 10. Geburtstag.
Nachdem die Modeschau vorbei war, gingen wir wieder zum Ruderclub, setzten uns bei inzwischen klarem Himmel
noch kurz an die Weichsel und gingen danach schlafen.
Der Tag der Rückfahrt war gekommen. Bei Sonnenschein liefen wir nach dem Aufstehen gemeinsam zum
Bahnhof und fanden in dessen Nähe in der ul. Nowogrodzka das Radio Cafe, in dem wir frühstückten. Der
Besitzer dieses polnisch-kanadischen Cafes war ausgesprochen nett und bereitete uns ein reichhaltiges
Frühstück zu, obwohl er eigentlich erst in einer halben Stunde öffnete. Sein Kaffee war einfach grandios und
für uns alle der beste seit langem, so daß wir uns hier gerne noch ein Weilchen aufhielten. Am Bahnhof kauften
wir dann im Supermarkt noch einige polnische Spezialitäten ein, bevor wir in den Zug nach Berlin stiegen.
Während der knapp sechstündigen Fahrt lasen wir die meiste Zeit und kamen am späten Nachmittag in Berlin an.
Nach einem Sonntag in Berlin standen Montag und Dienstag jetzt noch der Rücktransport des Bootes an.
Von Charlottenburg, wo ich den Sprinter abholte, fuhr ich zum Club, wo Steffen bereits grinsend auf mich
wartete. Grinsend, weil während der letzten zwei Wochen unser Club ein paar
Poller auf den Parkplatz vor die Hänger gebaut hatte, wovon wir nichts wußten und für die wir natürlich auch
keinen Schlüssel hatten. Glücklicherweise kam unser Hauswart bald, so daß wir gegen 10 Uhr losfahren konnten.
Auf der polnischen Seite gibt es auf dem Weg Richtung Warschau nach einem teuren mautpflichtigen Autobahnabschnitt
auf langen Strecken nur Landstraßen. Durch einige verdammt enge Baustellen mit tiefen Spurrillen hindurch war die Fahrt alles andere als
entspannt. In Warschau versuchten wir dann die Straße entlang des Ufers gleich in der richtigen Fahrtrichtung
zu erreichen, was uns aber nicht glückte, da man hier an vielen Stellen nicht so abbiegen darf, wie man eigentlich
will. Also kamen wir von Norden und mußten wenden. Laut der Dame vom Ruderclub und auch laut ViaMichelin sollten
wir an der Ampel einen U-Turn machen. Allerdings war hier sowohl Linksabbiegen als auch ein U-Turn verboten.
An der nächsten Ampel durfte man dank Linksabbiegerspur immerhin links abbiegen, aber ein U-Turn war trotzdem
nicht erlaubt. Wahrscheinlich hätten wir ewig so weiterfahren können, aber als wir sahen, daß auch drei polnische
PKWs vor uns hier einen U-Turn machten, entschlossen wir uns ebenfalls dazu. Wir schauten uns beide nach
Polizei um, konnten aber keine entdecken, und wendeten. Kaum waren wir herum, tauchte hinter uns ein
Polizeiauto auf, das uns anhielt. Der polnische Polizist stellte sich gleich einmal beleidigt, daß ich nicht
fließend polnisch sprach. Ich händigte ihm Führerschein, Personalausweis und die Papiere vom Sprinter (zum Glück
hatte ich ja die Originale) und vom Hänger aus. Dann sagte er "bezahlen", das einzige deutsche Wort,
das er sprach und sogar völlig akzentfrei hervorbrachte. Ich hielt ihm einen 100-Zloty-Schein hin, aber er
schüttelte nur den Kopf und zeigte mir fünf Finger. Fünfhundert Zloty?? Das sind über 130 Euro für einen
U-Turn! Ich hatte nur 400 Zloty dabei, die ich ihm reichte. Er war darüber gar nicht erfreut und notierte
sich erstmal meine Daten, woraufhin er mir mitteilte, daß ich eine Rechnung bekommen würde. Ich hätte auch
gerne eine Quittung für die 400 Zloty gehabt, aber das sah er anders: Er schien nicht bereit zu sein, mir
dafür eine Quittung auszustellen oder das Geld zurückzugeben, und verabschiedete sich. Jetzt bin ich gespannt,
ob ich noch eine Rechnung für den U-Turn bekomme, und falls ja, ob diese über die restlichen 100 Zloty oder
über 500 Zloty lauten wird... Schade, daß wir zum Abschluß unserer Fahrt nach allen positiven Erlebnissen mit
der polnischen Bevölkerung nun doch noch ein Negativerlebnis hatten. Naja, wir fuhren die letzten Meter
auf der engen Straße zum Ruderclub, wo wir den Wagen abstellten und anschließend in der Stadt einen Döner zum Abend aßen.
Am nächsten Morgen liefen wir wieder zum Radio Cafe, wo wir gemütlich in aller Ruhe frühstückten und den
phantastischen Kaffee genossen. Der Supermarkt im Bahnhof hatte noch zu, aber wir konnten in einigen kleineren
Märkten noch ein paar Dinge kaufen. Auf dem Rückweg zum Ruderclub begann es dann leider kräftig zu regnen, so
daß wir das Zelt im Regen abbauen mußten. Beim Verladen des Bootes halfen uns einige Schüler, die gerade mit
ihrem Kanu-Training fertig geworden waren. Nach neuneinhalb Stunden Fahrtzeit, begleitet vom Hörspiel
Maria, ihm schmeckt's nicht, Ska-Musik und einigen heftigen Gewittern mit Starkregen und Sturmböen,
erreichten wir ohne weitere Zwischenfälle am späten Abend Berlin.
Die Weichsel-Ruderfahrt kann ohne weiteres mit unseren bisher schönsten Ruderfahrten
Prag (2000), Südfrankreich (2002) und
Donau (2003) mithalten. Sie ist keineswegs mit diesen Fahrten vergleichbar,
sondern auf ihre ganz eigene Weise einzigartig. Besonders in Erinnerung bleiben werden das Zelten in der
freien Natur mit Lagerfeuer am Abend, das Schwimmen und Waschen in der Weichsel, die Abgeschiedenheit von
der Zivilisation, die schöne Landschaft mit den Hügeln und zahllosen Stränden, Inseln, Sandbänken und
Flachstellen, die Offenheit und Freundlichkeit der polnischen Bevölkerung und die wenigen, dafür aber sehenswerten
Städte Krakau, Sandomierz, Kazimierz und Warschau. Die Weichsel-Ruderfahrt war eine vollauf gelungene
Ruderfahrt, die unbedingt für alle, die auf etwas Komfort verzichten können, zur Nachahmung zu empfehlen ist!
Die Teilnehmer: | |||
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![]() Otto |
![]() Darius |
![]() Steffen |
![]() Nicolas (FL) |
Information | ||
Flußführer und Kartenmaterial: |
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Übernachtung: |
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